Bordeauxweine sind Weinliebhabern, aber nicht nur diesen, ein Begriff. Es gibt viele Gründe warum sie bekannt sind, nicht zuletzt weil die berühmten klassifizierten Châteaux eine große Attraktivität besitzen. Diese produzieren aber nicht nur große und legendäre Weine, sondern nehmen eine historisch gewachsene Vorbildfunktion in der gesamten Weinwelt ein und setzen weiterhin Maßstäbe und Trends, die von hier ihre Verbreitung finden. Beispiele dafür sind die Cabernet Sauvignon- und Merlot-Traube, die im Bordeaux sehr früh kultiviert wurden und mittlerweile in vielen Ländern angebaut werden. Oder die Eichenfässer (Barriques), in denen die Bordeauxweine traditionell ausgebaut werden, um deren Lagerfähigkeit und Komplexität zu erhöhen.
Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass bei Weinliebhabern das Interesse nach neuen sensorischen Erlebnissen zunimmt, nicht nur in der Gastronomie. Die Zeit der schweren, alkoholreichen und meistens eher eindimensionalen Weine weicht der Suche nach Weinabenteuern. Parallel dazu steigt die Beachtung der klassischen Weinanbaugebiete, da man hier finessenreiche, aromatische und komplexe Weine findet. Diese in sehr guter Qualität, verschiedenen Stilen und in unterschiedlichen Preissegmenten.
Am Beispiel der Bordeauxweine kann man einige interessante Tatsachen verdeutlichen, die sich auf andere Regionen übertragen lassen, da sie im Bordeaux ihren Ursprung haben, wie oben erwähnt. Ein Begriff, der in dem Zusammenhang verwendet wird, ist der des „Terroirweins“. In diesen Weinen findet der Boden mit allen Umfeldeinflüssen, das Terroir, seinen Ausdruck. Konsequent betrachtet bedeutet dies, dass die Qualität durch den Weinberg bestimmt wird und nicht durch besondere Maßnahmen im Weinkeller. Sie dienen in erster Linie dazu die geerntete Qualität zu erhalten und zu bewahren. Diesen Anspruch haben die großen Weine aus den klassischen Weinanbaugebieten, wie dem Bordeaux, dem Burgund und der Rhône. Werden die Weine im Keller auf einen bestimmten Stil oder Geschmack designed, dann handelt es sich im Gegensatz dazu um „technisch gemachte Weine“. Das ist bei vielen Weinen aus der neuen Welt und auch bei sehr günstigen Weinen der Fall. Es ist ein wichtiger Faktor für das Pricing, denn der Aufwand für die Herstellung von Terroirweinen ist größer als für technisch gemachte Weine. Die Reben bei Terroirweinen werden zum Beispiel von Hand geerntet und nicht maschinell.
Als Orientierung kann man bei Bordeauxweinen in 80% der Fälle davon ausgehen, dass ein Wein „technisch gemacht“ ist, wenn er unter 10,- Euro kostet. Qualität hat bekanntlich ihren Preis. Dabei bedeutet Qualität nicht automatisch Geschmack, denn ein technisch gemachter Wein kann aus Sicht des Konsumenten gut schmecken, er ist aber in gewisser Weise „künstlich“ gemacht und weist nicht die Ursprünglichkeit eines Terroirweins auf.
Wenn von der Qualität eines Weins die Rede ist, so ist vereinfacht gemeint, wie gut der Wein gemacht ist. Dabei sind die Konzentration der Inhaltsstoffe, Restsüße, Säure, Alkohol und die Gerbstoffe im Wein (Tannin) wichtige Faktoren. Ist die Balance nicht gegeben, so macht sicht dieses Ungleichgewicht bei der sensorischen Wahrnehmung bemerkbar. Am deutlichsten ist das der Fall, wenn Weinfehler auftreten. In Verbindung mit der Qualität wird die „Größe des Weins“ bewertet, die man wieder an bestimmten Faktoren festmacht, wie z.B der Vielschichtigkeit des Weins (Komplexität) der Deutlichkeit und Reinheit der Aromen (Reintönigkeit).
Von der Qualität ist der Stil des Weins zu unterscheiden, der seine Persönlichkeit zum Ausdruck bringt. Er hängt mit der Anbauregion, den Rebsorten und dem An- und Ausbau des Weins zusammen. Der Boden mit all seinen Umwelteinflüssen (Terroir), spielt dabei die größte Rolle, denn das Terroir bestimmt die Rebsorte, eine oft verkannte Tatsache!
Mit dem Stil steht die Aromatik des Weins in engem Zusammenhang. Die Aromen von verschiedenen Früchten, Gewürzen, Blüten, Pflanzen und Röstnoten sind vielfältig und hängen von den gleichen Faktoren ab wie der Weinstil, zusätzlich aber von dem Alter des Weins. Man unterscheidet dabei Primär-, Sekundär und Tertiäraromen, wobei letztere bei einem gereiften Wein das Terroir zum Ausdruck bringen. Vereinfacht gesagt werden die Primäraromen durch die Traubenart, die Sekundäraromen durch den Ausbau hervorgebracht, wie z.B. der Dauer des Ausbaus im Barrique. Im Laufe der Zeit nehmen die Tertiäraromen im Wein zu, die Primär- und Sekundäraromen ab.
Oft begegnet man dem Irrtum, dass ein sehr großer Wein schwer sein muss um zu beeindrucken, das Gegenteil ist der Fall! Ein schwerer Wein übertönt oft mit seinen vordergründigen Aromen alle anderen Noten. Die Folge ist ein eindimensionaler statt komplexer Wein, der letztlich langweilig oder sogar aufdringlich wirken kann. Ein großer Wein soll konzentriert, hocharomatisch und komplex sein, darf dabei aber niemals schwer und überladen wirken! Dieses zu erreichen erscheint fast widersprüchlich und stellt höchste Anforderungen an die Kunst des Weinmachens. Sucht man nach sinnlichen Abenteuern, so wird man bei den Terroirweinen in vielen Fällen erfolgreicher sein, da sie in der Regel mehr zu bieten haben. Sie fallen aromatischer und komplexer aus, was bedeutet, dass man unterschiedliche Aromen ausmachen kann, die sich zudem deutlicher abzeichnen und reintönig sind.
Im Bordeaux hat bei den klassifizierten Chateaux, die als Vorbilder für die Weinwelt gelten, vor ca. 10 Jahren ein Trend eingesetzt, die Weine biologisch bzw. organisch an- und auszubauen. Mit Anbau sind dabei die Maßnahmen im Weinberg, mit Ausbau die Vorgänge im Weinkeller gemeint. Einige Châteaux haben sich sogar dem biodynamischen Weinbau verschrieben, der noch weiter verschärfte Kriterien anlegt und den Einsatz von Insektiziden und Pestiziden verbietet. Er hat seinen Ursprung in den antroposphischen Lehren, die von Rudolf Steiner begründet wurden. Das heißt aber auch, dass man damit den Terroirgedanken ausweitet und konsequent weiterverfolgt!
All das findet fast unbemerkt vom Konsumenten statt, denn die Weingüter möchten nicht mit dem Label „Biowein“ in Verbindung gebracht werden. Auch wenn der Zusatz „Bio“ bei Lebensmitteln ein positives Image genießt, so gilt das immer noch nicht bei Weinen, auch wenn hier ein Umdenken stattfindet. Daher werben die Châteaux (noch) nicht mit diesen Methoden, sondern wenden sie an, weil sie davon überzeugt sind, die Qualität ihrer Weine so weiter verbessern zu können. Das sollen einige Beispiele aus dem Bordeaux verdeutlichen.
Château Pontet Canet, ein Grand Cru Classé aus Pauillac, ist das erste zertifizierte Weingut im Bordeaux, das seinen Wein zu 100% biodynamisch herstellt. Befand sich das Château bis Mitte der 90 Jahre nach einer Krise in einem Wandel, zählen seine Produkte heute zu den Spitzenweinen im Bordeaux. Die Jahrgänge 2009 und 2010 erhielten viel Anerkennung und Höchstbewertungen.
Château Smith Haut Lafitte aus dem Pessac-Léognan, ebenfalls ein Grand Cru Classé, hat vor einiger Zeit Methoden des organischen und biodynamischen Anbaus eingeführt. Das Château erhält für seinen roten und weißen Spitzenwein regelmäßig Bestnoten und ist in der Lage, selbst in kleinen Bordeauxjahrgängen Weine in sehr guter Qualität zu produzieren.
Auch auf dem „rechten Ufer“ in der Appellation Saint-Emilion gibt es Weingüter, die diesem Trend folgen und das mit großem Erfolg. Château Pavie Macquin, Premier Grand Cru Classé, ist ein Vorreiter in dieser Region des Bordeaux für den biodynamischen Anbau. Auch Château Angélus, ebenfalls ein Grand Cru Classé, praktiziert organische und biodynamische Methoden. Als Besonderheit wird auf Château Angélus nicht nur per Hand geerntet sondern auch manuell entrappt. Jede einzelne Weinbeere wird vom Stengel gezupft, was im Gegensatz zu den sonst üblichen technischen Entrappungsanlagen sehr aufwendig ist. Beide Châteaux wurden im Jahr 2012 in der Klassifizierung von Saint-Emilion hochgestuft, ein sensationeller Erfolg. Das ist kein Zufall sondern das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit, die auch mit Rückschlägen verbunden war, denn das erreichte Niveau muss langfristig konsolidiert werden.
Tatsache ist, dass sich mit der Einführung der organischen und biologischen Verfahren die Qualität der Weine weiter verbessert hat, was sich in der Bewertung und der Hochstufung in der Klassifizierung niederschlägt. Parallel dazu stieg aber der manuelle Aufwand und damit der Preis, insbesondere bei den großen Bordeauxjahrgängen. Auch wenn sich diesen Trend in größerem Umfang derzeit nur die renommierten Châteaux im Bordeaux leisten können, so finden diese Verfahren immer mehr Beachtung. Sie werden bereits von Weingütern in anderen Regionen wie dem Burgund und dem Südtirol erfolgreich praktiziert. Und im Bordeaux werden bewährte Methoden aus dem bioorganischen Weinbau zunehmend auch von den „kleineren Châteaux“ übernommen. Dies mit demselben Ziel, nämlich die Qualität der Weine zu verbessern. In dem Zusammenhang seien die Domaines Rollan de By erwähnt, die auf alternative Anbaumethoden setzen und dabei Qualitäten auf sehr hohem Niveau zu einem fairen Preis erzielen. Das Spitzengewächs Haut Condissas, bringt in offiziellen Blind-verkostungen selbst die großen Châteaux in Verlegenheit.
Ein Wehrmuthstropfen bei der Entwicklung ist aber die Bürokratie, die parallel dazu Einzug gehalten hat und die Weingüter dazu zwingt ihre Methoden zu dokumentieren. Diesen Aufwand halten einige für unnötig und zu teuer, zumal es andere Möglichkeiten gibt bestimmte Standards zu überprüfen. Das ist auch der Grund warum sich so manches Château nicht offiziell zu dem eingeschlagenen Weg bekennt, denn im Vordergrund steht der Wein und nicht die Vorgehensweise, die nur ein Mittel zum Zweck sein kann.
Für den Verbraucher bedeutet dies, dass er interessante Terroirweine, aus den klassischen Weinregionen erhält, wenn er bereit ist etwas mehr Geld auszugeben, denn dort hat sich die Philosophie des Terroirgedankens durchgesetzt. Dafür bekommt er einen Wein, der ein anderes Qualitätsniveau hat und in der Regel mehr Spannung bietet, da es sensorisch viel mehr zu entdecken gibt. Hat man erst einmal den Weinstil gefunden, der einem zusagt, wird man immer mehr Unterschiede zu technisch gemachten Weinen feststellen können.
Achten Sie dabei auf das Anbaugebiet, denn die Rebsorten in einer Weinregion sind oftmals die gleichen oder sie unterscheiden sich nur in den Anteilen. Aber das Terroir hat den entscheidenden Einfluss auf den Weinstil. Daher ist es ein Unterschied, ob Sie einen Wein aus dem Saint-Emilion oder dem Pomerol trinken, auch wenn die Hauptrebsorte in beiden Appellationen Merlot ist!
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Vincenz Konzil
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